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JOBS@MANGLER-NOLLER.DE12. Juni 2023
Luft ist so selbstverständlich, dass wir sie kaum beachten. Es sei denn, es stürmt gerade. Oder es riecht besonders gut oder besonders abstoßend.
von Martin Rother
Der Fahrradhändler meines Vertrauens ist gefürchtet für seine flachen Wortspiele. Fragt man nach einem wichtigen Utensil, das verhindert, dass die Luft aus dem Reifen entweicht, sagt er konsequent: „Ventile hab ich viele, denn ohne Air wird's schwer.“ Als ob das nicht schon genügend körperliche Schmerzen verursachen würde, bekommt man beim Bezahlen noch ein fröhliches „Mit EC tut’s nicht weh.“ ins Herz gerammt.
Wir atmen 24 Stunden am Tag. Luft ist so existentiell, und doch schenken wir ihr nicht die Beachtung, die die Lebensgrundlage Nummer eins verdient hätte. Das denken sicher auch die Hersteller von Raumluftreinigern, die in Asien und auch in den USA gutes Geld verdienen und in Europa kaum einen Fuß auf den Boden bekommen. Saubere Luft scheint Europäern nicht so wichtig zu sein.
Als ich etwa acht oder neun Jahre alt war, standen meine Eltern, mein Bruder und ich auf einem Parkplatz, um uns von Verwandten zu verabschieden. Ein paar Meter von uns entfernt lief ein Motor. Ich roch den beißenden Qualm und war neugierig. Ich beugte mich runter zum Auspuff, um besser riechen zu können (in den 70ern, das war noch das gute Zeug ohne diese Abgasreinigung).
Mein Vater riet mir damit aufzuhören, weil das Abgas giftig sei. Ich begann zu überlegen, warum Menschen Auto fahren, wenn da hinten Gift rauskommt. Mir ist es bis heute nicht klar, warum wir das tun. Wenn doch die Luft für unser Leben so grundlegend ist. Und obwohl jedes Jahr viele Menschen vorzeitig sterben durch diese Abgase, ist es so gut wie jedem völlig egal.
Seitdem wir über die Erderwärmung diskutieren und grübeln, scheint dieser Punkt völlig aus dem Bewusstsein der Menschen gelöscht worden zu sein. Abgase töten Menschen und Tiere und Pflanzen. Warum das niemanden interessiert, ist psychologisch zu erklären, und doch so absurd. Es stecken verschiedene Strategien des Gehirns dahinter, die unser Wohlbefinden aufrecht erhalten sollen: Skepsis, Widerstand, Bagatellisierung und Verdrängung sind die wichtigsten. Dieselben Strategien verhindern im übrigen, dass genügend Menschen sich adäquat mit dem Klimakollaps beschäftigen.
Dass wir Luft nicht völlig verdrängen, zeigt die Vielzahl an Redewendungen und Sprichwörtern, die mit (heißer) Luft arbeiten. In die Luft gehen, man hängt in der Luft, etwas ist aus der Luft gegriffen, die Luft brennt oder ist zum Schneiden und so weiter und so fort. Die höchste Form der Nichtbeachtung ist: „Du bist Luft für mich.“ oder wie ein guter Freund gerne sagt: „Das ignorier’ ich noch nicht mal.“
Beim Wasser, das eine ähnliche Bedeutung für unser Leben hat, scheint die Beziehung anders zu sein. Wir achten sehr darauf, was wir trinken. Es gibt Wasseranalysen, Reinheitsgebote, Grenzwerte für Schadstoffe, Metalle und andere Stoffe.
Mit viel Aufwand erzeugen wir immer ausgefeiltere Getränke, wir kaufen Wasserfilter, entkalken das Wasser mit viel Getöse. Mineralwasserhersteller denken sich ständig neue Sachen aus, achten auf eine ausgewogene Mineralisierung, und, und, und. Es gibt wirklich viel Wasser auf der Welt, und doch kaufen wir es in abgefüllten Flaschen und bezahlen Geld dafür. Bei der Luft undenkbar.
Bei der Luft nehmen wir einfach in Kauf, dass sie mit vielen Stoffen verunreinigt ist, die potentiell gefährlich für alle Menschen sind. Und fahren die 800 Meter zum Bäcker mit dem Auto.
Luft ist nicht nur wichtig, Luft ist alles. Wir atmen 24 Stunden am Tag. Ohne Wasser können wir zwei oder drei Tage überleben, ohne Luft keine fünf Minuten.
Baut keine Luftschlösser, atmet tief durch und schützt die Luft, pfffff.
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